Der Menschentreffer

Stilleben mit Stars : der Fotograf Andreas Neubauer macht sich ein eigenes Bild von Schauspielern und Regisseuren

 Von Peter von Becker

Augenfänge noch und noch. Gleich zu Beginn der Ausstellung mit Andreas Neubauers Portraits von Schauspielern, von Regisseuren, Künstlern und Autoren im neuen Filmmuseum Berlin am Potsdamer Platz ist man gepackt. Denn schon am Eingang, über dem kleinen Stehpult mit dem Besucherbuch, lassen die ersten drei von 150 hier präsentierten Aufnahmen erkennen : Dieser gerade 35-jährige, in Berlin und München lebende Neubauer ist ein Meister. 

Ein toller Portraitist ,ein Menschen-Bildner.

Marianne Hoppe, hängt da zuerst, im Halbprofil, den Kopf leicht gesenkt und doch erhaben, strahlend, mit ihren 90 Jahren; denBildausschnitt stütz und belebt dazu ihre große, von schweren Ringen gezierte, gekerbte Hand. Mit allen Altersflecken, die kein Makel sind, sondern schöne Zeichen des langen Daseins, erscheinen Marianne Hoppes Hand und ihr Gesicht wie eine Landschaft des Lebens.

Daneben wird eine tote Landschaft belebt. Die junge Schauspielerin Juliane Köhler, ein fragiler, nervöser Typ, kauert am Fuß einer riesigen Abraumhalde bei Berlin an einer das Bild gleich einem Messer durchteilenden Zementmauer. Das wirkt so besinnlich wie dramatisch, ein Menschen-Stilleben auf dem Grat. An einer unsichtbaren sichtbaren Grenze.

Das dritte Bild ist sonderbar gewitzt. Der Regisseur Volker Schlöndorff in heller Sommerhose, Turnschuhen und Polohemd klettertein Stück empor und hält sich fest im Inneren einer Betonröhre, lächelnd. Der Blick durch die Röhre ist eine Anspielung, und dabei erinnert das große Rund auch an ein Kameraobjektiv. Dieses Bild ist im doppelten Sinne offen, es zeigt Enge und Freiheit, zeigt das Licht am Ende des Betontunnels - und der Bildeinfall des Fotografen bleibt doch sein Geheimnis.

Enge und Freiheit

Direkt darunter das Besucherbuch. Auf einer Seite steht : " Neubauer ist besser als Newton ". Ein andere hat diese Bemerkung auf der folgenden Seite aufgenommen, er erwidert : " Der Vergleich mit Newton haarsträubend, denn der sieht die Menschen nicht, die er fotografiert, er inszeniert seine eigenen, vermeintlich geheimen Phantasien. " Neubauer ist der Vergleich mit dem berühmten Kollegen , dem Berlins Nationalgalerie nur unweit vom neuen Filmmuseum gerade eine Retrospektive widmet, ein bisschen peinlich. Aber es macht ihn auch stolz. Ein blonder kurzgelockter dünner Schlacks ist Neubauer, quick, humorvoll, ein lockerer Mann, der beharrlich verlockt.

Wenn er auf Festivals in Cannes, Venedig, Berlin Filmstars anspricht, dann wartet er schon mal , bis die Agenten und Aufpasser " kurz auf Toilette müssen ". Und er hat auch nicht drei Kameras umhängen. " Ich bin kein Knipser, ich hab in der Tasche nur eine kleine Mappe mit meinen eigenen Arbeiten und versuche sie zu zeigen. Oft wehren die Stars das ab, doch wenn sie die Bilder erst sehen und im ersten Gespräch merken, das ich ihre Filme - und nicht nur ihre berühmtesten - wirklich kenne, dann ziehen sie schon mal die Visitenkarte.

Viele von den großen hat er schon fotografiert : Shirley MacLaine und Michelangelo Antonioni, Robert De Niro und Emma Thompson ( ein lieblingsmodell ) Polanski und Kris Kristofferson, Jonny Depp und Sandra Bullock. Fabelhaft ist zum Beispiel sein Doppelportrait von Billy Wilder , 1994 aufgenommen in Salzburg am Hotelwaschbecken, und Wilder beugt sich mit dem Händehandtuch so vor, als wolle er es dem Betrachter anbieten, als wolle er ihm aus dem amüsierten Mund noch hier , in diesem Moment der Privatheit, eine Anekdote, oder einen Witz erzählen. Und das zwiefach - weil der Badezimmerspiegel das Bild in der Mitte teilt und zugleich verdoppelt.

Andreas Neubauer ist ein Schauspielerkind , ein Journalistenkind. Seine Mutter Ilse Neubauer spielte früher mit Lisa Kreutzer, der Gefährtin von Wim Wenders, am Münchner Residenztheater, jetzt steht sie gerade mit Rosel Zech und Krista Posch in München im Volkstheater auf der Bühne. Der Sohn zeigt sie in Berlin - Mitte , vo den Zeichen der alten und neuen Zeit. Der Vater Eberhard Henschel , ist früh verstorben. Er war Chefredakteur der " Freundin ". Die Bilder des Sohns hat er erst spät gedrückt. Für seine Eltern war Neubauer zunächst wohl nur ein sonniges Sorgenkind. Schulabbrecher in München mit 16, dann geht er in England ein Jahr auf eine Sprachenschule, anschließend dort noch auf ein indisch-endlisches Internat, .....

Er ist einer, bei dem sich die Schauspieler und Künstler wohlfühlen, denn er vermag mit ihnen entspannt die nötige Spannung zu schaffen. Wie ein guter Regisseur.

Als er 1983, mit 18 , nach Berlin kommt, um der Bundeswehr zu entgehen, da will er noch selber Schauspieler werden. Bei einem Workshop begegnet er Susan Batson, einem Mitglid des legendärem Actors Studio ..(und ).. nimmt zwei Jahre Schauspielunterricht.

...Auf Ferienreisen mit einem Freund, der heute Maler ist, lernt er von ihm, mit der Kamera umzugehen. Bis heute am liebsten mit einer Nikon FM2 und mit ihr am liebsten in (am besten ) schwarzweiß.

Wim Wenders kannte Andreas Neubauer schon durch seine Mutter. Doch er muß zwei Jahre warten, bis Wenders ihn zu sich vorlässt. 

Neubauer ist hartnäckig, bleibt geduldig, und endlich wird Wenders sein ... Förderer. Zuerst macht er PR-Fotos für dessen "Reise bis ans Ende der Welt ", dann die Standbilder bei " In weiter Ferne so nah. " Das 1992. Und Neubauer lernt immer mehr Menschen aus dem Metier kennen , vom Film und vom Theater.

Als Gegenüber der berühmten und weniger berühmten Künstler ist er ein begeisterungsfähiger Zuschauer, ein Beobachter zwischen der Kimme  der Kunst und dem Korn des Lebens. Darum treffen seine Bilder-ohne zu verletzten, ohne zu entblößen oder zu verraten. Neubauer geht seinen lebenden Motiven an die Haut, rückt ihnen aufs Gesicht. ... darum achtet er darauf, den Portraitierten nie das Gefühl zu geben, sie seien vor seinem Objektiv nur Objekte.

Kimme und Kunst

... Aber apropos Newton : sein neustes Projekt soll Menschen, doch stärker entblößen. " ich möchte erotische Bilder machen. Vor allem von Frauen. Das ist ganz simpel, ich finde nackte Frauen, ich finde einen guten Akt einfach schön. ...Neubauer arbeitet immer zuerst auf eigenes Risiko. Bis seine Bilder in einer Ausstellung hängen oder in internationalen Zeitschriften erscheinen. Von mal zu mal häufiger.

Der Tagesspiegel